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Gefährdet die Bürgermeisterin den Bürgerentscheid?

In der Debatte um den Erhalt der drei Bad Iburger Grundschulen nutzt Bürgermeisterin Annette Niermann in unzulässiger Weise ihr öffentliches  Amt zur Beeinflussung der Wahlberechtigten in ihrem Sinne. In einem kürzlich veröffentlichten Schreiben auf dem offiziellen Briefbogen der Stadt, das unter anderem auf der Homepage der SPD Bad Iburg sowie in Sozialen Medien verbreitet und so tausenden Wahlberechtigten zugänglich gemacht wurde, bezieht sie in ihrer Eigenschaft als Bürgermeisterin parteiisch Stellung und spricht sich für eine Nein-Stimme beim Bürgerentscheid am 29. September aus. Besonders gravierend kommt hinzu, dass sie das Amt der Abstimmungsleitung beim Bürgerentscheid innehat.

Hiermit verstößt sie gegen das Neutralitätsgebot von Amtsträgern in Deutschland, das vor allem vor Wahlen und Abstimmungen besonders streng auszulegen ist. So stellt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages aus 2018 sowie höchstrichterliche Rechtsprechung fest, dass eine politische Willensbildung in Deutschland auf Grundlage des Grundgesetzes vom Volk zu den Staatsorganen zu erfolgen hat. Die Einhaltung dieses demokratischen Grundsatzes ist jedoch nur dann möglich, wenn Hoheitsträger, wie hier die Bürgermeisterin, die Autorität ihres Amtes sowie staatliche Ressourcen nicht missbräuchlich verwenden. Andernfalls besteht aufgrund des Vertrauensvorschusses, den Amtsträger innerhalb der Bevölkerung genießen, die Gefahr einer Umkehrung des Willensbildungsprozesses. Die Nutzung ihrer Amtsbezeichnung sowie die Verwendung der Rathausadresse und des Bad Iburger Wappens sprechen dabei eindeutig für einen Amtsbezug und gerade nicht für eine private Meinungsäußerung. Dies stellt somit eine unzulässige Nutzung des Amtes sowie eine Beeinflussung der Wählerinnen und Wähler dar.

Hinzu kommt, dass die Bürgermeisterin neben dem Neutralitätsgebot auch zum wiederholten Male gegen das Gebot der Sachlichkeit und Korrektheit verstößt. So schreibt sie, dass eine Nein-Stimme gleichbedeutend sei mit einer Stimme „für den Bau einer Grundschule“. Dies ist jedoch unzutreffend, da es hierfür eines eigenen Beschlusses des Rates bedarf, der bis heute nicht vorliegt. So ist anstelle eines Neubaus auch ein Anbau an die Hauptschulräume möglich. Ein Automatismus für einen Neubau liegt in keinem Fall vor. Nach ihrer falschen Äußerung in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse bei den Grundstücken für einen etwaigen Neubau in einer öffentlichen Sitzung, die nach mehrfacher Aufforderung mittlerweile seitens der Verwaltung schriftlich eingestanden wurde, verbreitet sie hier zum wiederholten Male in kürzester Zeit falsche Informationen, die geeignet sind, das Wahlverhalten der Bürger in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die unter Inanspruchnahme staatlicher Autorität vorgenommene Positionierung der Bürgermeisterin ist jedoch nicht nur mit Blick auf  demokratische Grundprinzipien verheerend. Besonders gravierend wiegt zudem, dass sie als Bürgermeisterin parallel das Amt der Abstimmungsleiterin beim Bürgerentscheid innehat, welches sie zwingend an das Gebot der Neutralität und Objektivität bindet (vgl. analog § 9 Abs. 5 des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes). Die Konsequenzen einer Einflussnahme auf Wahlen wurden dabei erst kürzlich bei der Bürgermeisterwahl in Dissen deutlich. Die WhatsApp-Nachricht einer Wahlhelferin, in der diese für einen Kandidaten warb, machte die Bürgermeisterwahl anfechtbar und beschäftigt mittlerweile die Gerichte. Vor dem Hintergrund, dass bereits ein solcher Vorfall wie in Dissen Einsprüche gegen eine Wahl begründet, wiegt das als ungleich gravierenderer zu bewertende Verhalten der Bürgermeisterin als Wahlleiterin deutlich schwerer. 

Da wir auf Grund des positiven Feedbacks unserer Mitbürger von einem Votum für unsere Grundschulen ausgehen und dann umgehend mit der Umsetzung aller Sanierungsmaßnahmen begonnen werden kann, hoffen wir, dass das Verhalten der Bürgermeisterin keine negativen Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des Bürgerentscheids hat. Konkret lassen wir dieses aktuell unter Hinzuziehung fachlicher Expertise klären. Unabhängig von den rechtlichen Folgen empfinden wir ihr Handeln aber als zutiefst undemokratisch, wenn sie versucht, als Abstimmungsleiterin Einfluss auf das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler zu nehmen. 

 


Hintergrund

 

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ist online abrufbar unter 
https://www.bundestag.de/resource/blob/556768/776c7bb3e6cd1fd9ed85e539cca79b59/wd-3-074-18-pdf-data.pdf; hier wird direkt zu Beginn deutlich gemacht, dass ein Missbrauch des Vertrauensvorschusses durch Amtsträger die Gefahr einer Umkehrung des Willensbildungsprozesses mit sich bringt. Unter Punkt 4 wird auf das Neutralitäts- sowie das Sachlichkeits- und Korrektheitsgebot eingegangen.

Das Gebot der Neutralität und Objektivität für Wahlleiterinnen und Wahlleiter in Niedersachsen findet sich in § 9 Niedersächsisches Kommunalwahlgesetz und ist online abrufbar unter 
http://www.nds-voris.de/jportal/portal/t/ax9/page/bsvorisprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=e&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-KomWGND2014pP9&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint+.

Über die Entwicklungen in Dissen berichtete dabei unter anderem die NOZ: 
https://www.noz.de/lokales/dissen/artikel/1798294/dissener-wahlleiter-einsprueche-gegen-buergermeisterwahl-berechtigtund
https://www.noz.de/lokales/dissen/artikel/1803264/verwaltungsexpertin-dissener-wahl-lief-nicht-gesetzeskonform.

Hier das veröffentlichte Schreiben der Bürgermeistern vom September 2019


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